November

Manfred Keitel: NOVEMBER.
Gedichte
 
Juli 2011. 50 S.
Titelbild von Thomas Reimann.
 
Format 12,8 x 20,8 cm.
ISBN 978-3-936905-47-2.
 
„Der titelgebende Monat spricht für sich. Eingeläutet wird dieser vom keltischen Fest der Toten, das zugleich der katholische Feiertag für die Heiligen ist, die keinen eigenen Namenstag haben. Ausserdem handelt es sich um die Zeit der Melancholiker, die Zeit der verzweifelt Hoffenden.“
 

 
 
I
 
über das Ende hinaus leben
in das Leben mitten hineinleben
 
wie ein Stein abtauchen
Spiegel zerschlagen
Kreise zerbrechen
rasch Tiefe um sich rollen
 
tristen Trugbildern zuvorleben
der Ausweglosigkeit
Hoffnungslosigkeit vorspielen
über jeden Anfang hinaus enden
 
 
 
herbe Umarmung zu Beginn der Zeit
 
zwischen Abendrot
und Morgengelb
der Wind mit jäher Kraft
Blattkadaver über die Lichtung tanzt
dort wo bleich der Erdstern
über dem Wintergrab des Wurmes strahlt –
das ist der Beginn der Zeit
 
spröde das Baumgeschwätz
sacht krümelt es ins müde Katzenohr.
Pilzgeruch der frische Sporen trägt
es zieht hinfort die Sommerewigkeit
in den nächsten Atemzug –
das ist der Beginn der Zeit.
kühl dieser Regenkuss
auf seinen gläsernen Schwingen
 
es kommt aus der Wolkenwelt
zu Besuch ist es dem Moder
schmiegt sich an den ruhenden Wurm
in die feste saure Dunkelheit
– es ist der Beginn der Zeit
 
eine wahre Geschichte als Lüge erzählt,
den Spätnachmittag im Tau
zieht das Ende den Anfang zur Mitte hin
so ist der Beginn der Zeit – ja
DAS ist der Beginn der Zeit!
 
 
 
ich: sie
 
ich sehe mir wie einer Hölle
über meine Schulter
bin niemals drinnen allein
ja ich fühle mich
von innen beobachtet
 
Leinen los Schotten dicht
ich bin ein Kind der Zivilisation
ich bin mein Elternteil
mit erhobenem Zeigefinger
 
einmal drin bin ich draußen
die Suche beginnt
und endet bei der Wahl
 
bin ich ich
oder sie
 

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