November 2010

Beinahe wäre ich achtlos an dem Plakat vorbeigegangen, aber die drei Worte passen nicht zusammen: „Laufen, Walken, Wandern“, drei mir wohl bekannte deutschsprachige Begriffe. Worum mag es gehen? frage ich mich. „Laufen“ und „Wandern“ bezeichnen Fortbewegungsarten, „Walken“ bedeutet soviel wie „Durchkneten“, und das irritiert mich. Ich stelle mir eine neue Sportart vor, bei der man erst 10 Kilometer läuft, dann irgendetwas durchknetet und anschließend noch ein wenig wandert. Verwundert gehe ich weiter, und erst später dämmert es mir, dass mit „Walken“ gar nicht das deutsche, sondern das englischsprachige „Walken“ gemeint sein könnte. Mein Problem ist, dass meine Muttersprache Deutsch ist und mein Wortschatz größer als der eines dreijährigen Kindes. Das sind heutzutage schlechte Voraussetzungen, um irgendetwas richtig zu verstehen. Wenn deutsche und englische Begriffe wahllos gemischt werden, kommt es rasch zu Missverständnissen. So gibt es in Mainz mehrere Bäcker-Selbstbedienungsläden mit dem Namen „Backfactory“, ein offensichtlich englisches Wort, das übersetzt „Hinternfabrik“ heißt. Appetitlich ist das nicht. Wer will schon Brot essen, das aus einem Hintern kommt? Gemeint ist aber wohl das deutsche „Back“, kombiniert mit dem englischen Wort „factory“. Wunderlich ist auch der Name eines Autohändlers, den ich kürzlich auf der Rückseite eines Autos gelesen habe. „Car-Ass“ stand da, auf gut deutsch „Wagen-Arsch“, und ich frage mich, wie es zu solchen Ausfallerscheinungen kommen kann. Die einzige Erklärung ist, dass die Erfinder solcher Namen weder die deutsche noch die englische Sprache beherrschen. Wieso aber bekommen ausgerechnet Analphabeten den Auftrag, Firmennamen zu erfinden oder Plakate zu gestalten? Nun möchte ich hier nicht über den Verfall der deutschen Sprache lamentieren. Sprache entwickelt und verändert sich. Neue Worte tauchen auf oder werden aus anderen Sprachen übernommen. Das ist ganz natürlich und ein Zeichen von Lebendigkeit. Wenn ich aber fünf Minuten brauche, um ein Plakat mit nur drei Begriffen – Laufen, Walken, Wandern – zu entschlüsseln, wenn ich in einem babylonischen Sprachgewirr einfachste Botschaften nicht mehr verstehe, dann finde ich das erschreckend. Vielleicht ist das alles aber auch ganz anders gemeint: Vielleicht nimmt die „Backfactory“ (Hinternfabrik) als Firmenname Bezug auf einen traditionellen Mainzer Aus- zählvers, den früher Kinder in der Neustadt aufsagten. Ein Kollege, in den 40ern in Mainz geboren, brachte ihn mir vor einigen Tagen bei: „Drunne an de Eck – wohnt de Bäcker Beck – streckt sein Arsch zum Fenster raus – määne d‘Leid des wär ä Weck – kommt e Kind gelaafe – will de Weck glei kaafe – zieht de Beck sein Arsch enei – un sacht de Weck is mei“. Wer genaueres über den Zusammenhang der „Backfactory“ mit diesem alten Kindervers weiß, soll sich bitte bei der Redaktion melden. Ich erkundige mich in der Zwischenzeit, ob es eine neue Sportart gibt, bei der man zwischen Laufen und Wandern irgendetwas durchknetet.

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