Oktober 2011

Der Bau eines Einkaufszentrums in der Ludwigsstraße spaltet momentan die Mainzer. Die einen, nämlich die Bürger und viele Geschäftsleute, wollen das gar nicht, die anderen, also die Politiker, wollen das Bauprojekt unbedingt durchdrücken. Das größte Interesse daran hat die Spekulanten-Firma ECE. 90 neue Ladengeschäfte sollen entstehen, damit Mainz als Einkaufsstadt im Wettbewerb mit Paris, London und New York nicht ins Hintertreffen gerät. Ich selbst bin noch unentschlossen, was ich davon halten soll. Natürlich bin ich dagegen, dass etwas gebaut werden soll, das diesen englischen Namen „Mall“ bekommen soll, einfach weil ich keine Anglizismen mag. Würde das Ding „KaufdichtotZentrum“ heißen, dann fände ich es gut, und es bekäme meine volle Unterstützung. Da ich nur ein paar Straßen weiter wohne, könnte ja auch der eine oder andere Laden dabei sein, der mich verlockt, dort mit meinem üppigen Kolumnen-Honorar einkaufen zu gehen, was ja heutzutage „shoppen“ heißt. Da ich aber nicht in einer Mall shoppen möchte, einfach weil mir das zu englischsprachig ist, bin ich dagegen.

 

90 neue Ladengeschäfte sind ganz schön viele, und eigentlich ist jedem sofort klar, dass dafür irgendwo anders 90 Geschäfte schließen müssen, weil die Mainzer Bürger nicht unendlich viel Geld zur Verfügung haben und es sich nicht rechnet, wenn es mehr Friseurläden in einer Stadt gibt als Frisuren. Das ist auch den Planern klar, und sie haben deshalb das „Tripol-Konzept“ entwickelt. Zwischen Brand, der Römerpassage und dem Kaufdichtot-Zentrum in der Ludwigsstraße soll sich das geschäftige Treiben abspielen. Da können dann die Gaustraße, das Bleichenviertel und die Neustadt gern veröden. Das Fort Malakoff ist ohnehin schon abgeschrieben.

 

Nun kann ich mir nicht vorstellen, dass die Planer eines solch großen Projektes völlig verblödet sind und nicht wissen, dass man weniger Läden als Kunden braucht, damit der Umsatz stimmt. Also vermute ich, dass etwas ganz anderes dahintersteckt. Bösartige Gegner des Kaufdichtot-Zentrums behaupten, es handle sich um reine Spekulation. Durchgeknallte, süchtige Zocker spekulieren auf Gewinn durch Schulden, was ja der einfachste Gewinn ist, weil man schneller Schulden macht als Waren verkauft. Die Betreiber kaufen das Grundstück, bauen das Kaufdichtot-Zentrum, verkaufen alles mit Gewinn und hinterher sind alle pleite, was gleichbedeutend ist mit Gewinn, zumindest aus der Sicht eines süchtigen Zockers.

 

Ich vermute mal, dass diese ganze unausgereifte Idee des Tripol-Konzepts sowie des städtischen Wettbewerbs dazu führen wird, dass sowohl die „Mall“ zur Hälfte leer stehen, als auch die Leerstände von Ladengeschäften in den Randgebieten zunehmen wird, wozu bereits die Schillerstraße und die Altstadt gehören. Vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht, immerhin sind die meisten Ladengeschäfte ebenerdig und lassen sich wunderbar zu rollstuhlgerechten Wohnungen umbauen. Und auch die Punks, die sich jeden Donnerstag am Höfchen treffen, würden sich über eine Winterresidenz freuen. 15.000 Quadratmeter leer stehende Ladenfläche würden reichen, um auch noch das nomadisierende Pengland aufzunehmen und dem Kunstverein Eisenturm angemessene Ausstellungsflächen zu bieten. Und auch die vor ein paar Jahren geschlossene alkoholfreie Gaststätte Senfkorn könnte direkt in der Innenstadt neu eröffnen. Der Rest des neu gebauten Leerstandes könnte in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden. Davon gibt es in Mainz nämlich definitiv zu wenig. Irgendwie habe ich aber Zweifel, dass die Spielsüchtigen von ECE so etwas im Hinterkopf haben. Dennoch hätte ich nichts gegen eine 5.000 Quadratmeter große Wohnung in der Ludwigsstraße mit Blick auf den Dom einzuwenden. 50 Quadratmeter würden mir übrigens auch schon reichen …

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